Familienbund mit neuen Schwerpunkt-Angeboten im Bereich Integration und Zusammenleben
OÖ Familienbund als starker Partner des OÖ. Integrationsressorts – Digitales Streetwork als neues Vorzeigeprojekt
Kinder und Jugendliche verbringend zunehmend mehr Zeit im digitalen Raum.
- Eine im Jänner präsentierte Umfrage unter fast 6.700 österreichischen Schüler/innen besagt, dass Kinder und Jugendliche täglich 213 Minuten am Smartphone verbringen.
- 7 von 10 befragten Jugendlichen bei der Ö3-Jugendstudie 2024 geben an, dass TikTok, Instagram & Co. zwar Zeitfresser seien, jedoch kämen sie davon nicht los. Für 2 von 10 sind Social Media Apps zudem generell Teil des Alltags und der Freizeit.
- 6 von 10 Jugendlichen gaben zudem im Rahmen des Jugend-Beteiligungsprozesses des Landes Oberösterreich an, dass ihnen die Spaltung der Gesellschaft durch soziale Medien Sorgen bereite.
Hier erwartet junge Menschen aber oft eine Flut an inszenierten Beiträgen, nicht erfüllbaren Rollenbildern oder negativer Berichterstattung über wichtige Zukunftsthemen. Hinzu kommen immer ausgefeiltere Algorithmen, die dafür sorgen, bestehende Weltbilder zu bestätigen und teilweise auch ins Radikale zu verkehren. Damit kann der digitale Raum auch zum Nährboden werden für Parallelgesellschaften, Radikalisierung und extreme Ansichten.
„Wir dürfen junge Menschen mit den großen Herausforderungen der digitalen Welt nicht allein lassen. Sie verbringen viel Zeit im Internet und sind sich dabei oft nicht bewusst, dass dort auch viele Gefahren lauern“, ist OÖ Familienbund-Obmann Mag. Martin Hajart überzeugt. „Deshalb betreten die Expert/innen unseres Projektes ‚OÖ Digital Streetwork‘ diese digitalen Räume, unterhalten sich dort mit den Jugendlichen und helfen verworrene Situationen und Probleme zu lösen“, so Hajart weiter.
„Der digitale Raum darf nicht Brandbeschleuniger sein für extreme Ansichten, Radikalisierung und Spaltung. Algorithmen im Netz fördern Extrempositionen an unterschiedlichen Rändern wie im Bereich Islamismus, aber im Gegenzug auch im Bereich Islamfeindlichkeit. Dem wollen wir entgegenwirken, daher hat das Integrationsressort gemeinsam mit dem Familienbund ein digitales Streetwork-Angebot mit einem Schwerpunkt auf Deradikalisierung entwickelt“, erklärt Integrations-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer.
In Kürze:
· Der digitale Raum ist fixer Bestandteil der Lebensrealität junger Menschen. Social Media-Plattformen wie Instagram, Snapchat oder TikTok sind zu festen Begleitern junger Menschen geworden. · Diese weiten Möglichkeiten des digitalen Raums können allerdings für Jugendliche auch Konflikte bereiten – von Mobbing über digitale Reizüberflutung bis hin zu geschickten Algorithmen, die Weltbilder festigen und teilweise auch radikalisieren. · Das Integrationsressort und der OÖ Familienbund wollen verhindern, dass der digitale Raum zum Brandbeschleuniger für Radikalisierung und Spaltung wird und starten das Projekt “Digitales Streetwork” mit einem Schwerpunkt auf Extremismus und Radikalisierung. · Nach einer Testphase im April und Mai startet nun der Vollbetrieb. Bereits 149 junge Klient/innen zwischen 12 und 26 Jahren wurden von den digitalen Streetworker/innen über unterschiedliche Kanäle und Apps betreut. · Vor dem Hintergrund sich abzeichnender religiöser Konflikte auch in Schulen fordern Familienbund-Obmann Martin Hajart und Integrations-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer zudem ein Pflichtfach zu Werten in einer Demokratie und in einem liberalen Rechtsstaat. · Generell setzt der Familienbund einen neuen Schwerpunkt im Bereich Integration und gesellschaftliches Zusammenleben. · Dazu gehört der Betrieb des “Familienzentrums Dialog”, Schulbetreuung, Lernhilfen für migrantische Jugendliche und Alphabetisierungskurse für erwachsene Migranten ohne Lese- und Schreibkenntnisse. Die Angebote sollen schwerpunktmäßig weiterentwickelt und ausgebaut werden. |
Das Projekt Digital Streetwork ist ein Meilenstein in der Unterstützung junger Menschen in ihrer digitalen Lebenswelt. Erste Beratung fanden probeweise bereits statt, mit Juni startet nun der umfassende laufende Betrieb. Das digitale Streetwork wurde vom OÖ Familienbund initiiert und wird vom Integrationsressort des Landes OÖ finanziert. Das Angebot ist kostenlos und anonym. Die Streetworker/innen des OÖ Familienbundes begegnen den jungen Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren in unterschiedlichen Social-Media-Kanälen auf Augenhöhe und nehmen ihre Sorgen und Probleme ernst.
Die Streetworker/innen sind geschult, eine breite Palette an Themen zu behandeln, die junge Menschen bewegen. Angefangen bei persönlichen Herausforderungen, wie Ausbildung und Identität bis hin zu sensiblen Themen, wie Extremismus und Suizidgedanken. Jugendliche können ihre Anliegen über eine Vielzahl digitaler Kanäle wie z.B. Snapchat, Instagram, TikTok oder WhatsApp mit den Digital Streetworker/innen des OÖ Familienbundes besprechen.
Das Team von OÖ Digital Streetwork des Familienbundes besteht derzeit aus vier engagierten Sozialarbeiter/innen bzw. Sozialpädagog/innen, Mediator/innen und Psycholog/innen mit unterschiedlichen kulturellen und sozialen Hintergründen, die von Montag bis Samstag bis in die Nachtstunden erreichbar sind. Ihr Ziel ist es, eine vertrauliche und unterstützende Umgebung zu schaffen, in der sich junge Menschen frei äußern können. Die Kontaktdaten des Teams finden Interessierte auf www.digital-streetwork.at.
Um eine hohe Qualität des Projektes zu gewährleisten, wird Digital Streetwork wissenschaftlich durch die Fachhochschule Oberösterreich begleitet und evaluiert und arbeitet eng mit Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie mit Schulen und Jugendzentren zusammen. Weitere Kooperationspartner sind die Bildungsdirektion OÖ, das WKO OÖ Karrierecenter und die KIJA OÖ. Zudem vernetzt man sich mit anderen NGOs und Vereinen, wie z.B. Mütter ohne Netzwerk. So sollen Synergien bestmöglich genutzt und ein hohes Niveau gewährleistet werden.
Besonderer Schwerpunkt auf Radikalisierung und Polarisierung durch Algorithmen
Social Media Kanäle wie Instagram und TikTok werden von unterschiedlichen Strömungen und Gruppierungen auch intensiv genutzt, um radikales Gedankengut zu verbreiten. Speziell der neue Nahostkonflikt rund um Israel und Gaza wird genutzt, um Stimmung zu machen und Terrorakte der Hamas zu verharmlosen. Beispielsweise sind sogenannte „Influence-Preacher“ der extremistisch-salafistischen Szene in sozialen Medien, da speziell auf TikTok, sehr aktiv. Die chinesische Plattform hat sich als Tummelplatz für Stimmungsmache, Faktenverdrehung und Polarisierung rund um gesellschaftliche Reizthemen erwiesen.
Der Algorithmus der Plattformen sorgt dafür, dass den User/innen solche Inhalte angezeigt werden, die stark mit den bereits konsumierten Inhalten korrespondieren. Dazu kommt es zu einer Verfestigung eines bestimmten Weltbilds und in vielen Fällen auch zu einer Radikalisierung der eigenen Ansicht. Auch hier sind die Streetworker/innen aktiv: Sie klären auf über die Gefahren einseitig konsumierter Inhalte und helfen, Themen einzuordnen.
Das Streetwork-Angebot des Familienbunds hat daher auch einen starken interkulturellen Schwerpunkt. Die Streetworker/innen haben selbst unterschiedliche kulturelle Wurzeln, um diese komplexen Themen entsprechend bearbeiten zu können, berichtet Efgani Dönmez, der das Projekt beim Familienbund leitet.
Angebot wurde in der Testphase bereits intensiv genutzt
In den ersten beiden Testmonaten im April und im Mai wurde das neue Angebot bereits von 149 jungen Klient/innen genutzt, darunter 135 Personen über Chats in den sozialen Netzwerken und 14 Personen in telefonischer Form. Der am häufigsten benutze Kanal ist Snapchat (67) gefolgt von Instagram (41). Der Rest verteilt sich auf TikTok, Facebook, WhatsApp und das klassische Telefonat. 42 Mädchen und 32 Burschen suchten Rat – der Rest machte keine Angaben zum Geschlecht. Über 1.000 Nutzer/innen besuchten seit Projektstart bereits die Website www.digital-streetwork.at.
Die Streetworker/innen, derzeit vier Personen, sind dabei einerseits mit eigenen Profilen auf den Plattformen vertreten, aber auch mit einem eigenen Profil der Marke „Digitales Streetwork“. Damit können sie auf unterschiedlichen Plattformen und auf unterschiedlichen Foren tätig sein und einerseits im Sinne aufsuchender Sozialarbeit aktiv bei Konflikten auf Nutzer/innen zugehen, andererseits auch Hilfestellung bei bestehenden Problemen leisten.
Beim Großteil der Beratungen ging es um allgemeine Hilfestellungen und Informationen sowie Fragen zu Identität und Weltanschauung. Aber auch Ausbildung, Sexualität, Gesundheit, Konflikte, Trauer, Gewalt und Finanzielles waren Themen, die die jungen Menschen beschäftigten.
LR Hattmannsdorfer/Familienbund-Obmann Hajart: Dürfen nicht zulassen, dass sich junge Menschen radikales Gedankengut aneignen
Hattmannsdorfer und Hajart sind überzeugt, dass es neben der Präventionsarbeit im digitalen Raum auch im Bildungsbereich Maßnahmen braucht, damit sich die Idee des liberalen Rechtsstaats und der Demokratie, und nicht jene der Spaltung und der (auch religiösen) Radikalisierung durchsetzt. Soziologe Kenan Güngör, der derzeit im Auftrag der Stadt Wien eine Studie erstellt, im Zuge derer vorhandene Abwertungshaltungen unter Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund erhoben werden, verweist dabei auch auf zunehmende interreligiöse Konflikte und einen erhöhten Anteil von Jugendlichen mit antisemitischen oder homophoben Einstellungen. Güngör leitet aus seinen Erhebungen auch problematische Tendenzen bei den Pflichtschüler/innen ab:
- Entwicklung in Richtung einer Art Überlegenheits-Vorstellung, wenn in einer Schule ein zu hoher Anteil von Zuwanderern sei
- Radikalisierung von Kindern, die in der Mittelschule zum Islam konvertieren
- Problematisches Rollenverständnis zwischen Mann und Frau bei Jugendlichen mit einem hohen Dominanzverhalten
„In vielen Bereichen funktioniert das Zusammenleben gut. Wir dürfen vor problematischen Entwicklungen aber nicht die Augen verschließen – nämlich dann, wenn Schüler/innen den liberalen Rechtsstaat, unsere Demokratie und Alltagsnormen aus religiösen Gründen nicht akzeptieren“, sind der Integrationslandesrat und der Familienbund-Obmann überzeugt.
Basierend auf diesen Erhebungen fordern auch Hattmannsdorfer und Hajart die österreichweite Einführung eines Pflichtfaches Werte und Grundsätze in einer Demokratie und in einem liberalen Rechtsstaat: „Wir müssen bereits bei Schüler/innen verhindern, dass sich Gedankengut verbreitet, das unsere liberale Demokratie ablehnt.“ Gerade bei jungen Menschen sind Weltbilder noch weniger gefestigt, man kann also durch Aufklärungsmaßnahmen gegensteuern. Ein Element kann hierfür auch das digitale Streetwork, das auch einen stark interkulturellen Schwerpunkt hat, des Familienbund sein.
Vizebürgermeister und Familienbund-Obmann Hajart: Besondere Herausforderungen auch in der Stadt Linz
In diesem Kontext sieht Familienbund-Obmann Hajart auch Handlungsbedarf angesichts der steigenden Zahl von Schüler/innen unterschiedlichen, insbesondere muslimischen Glaubens und daraus resultierende religiöse Konflikte sowie Radikalisierung. „Es geht dabei nicht um einen Generalverdacht, wir müssen aber dort hinschauen, wo es mangelnde Sprachkenntnisse, hohe Bildungsunterschiede und Integrationsdefizite gibt“, so Hajart, der auch Vizebürgermeister der Stadt Linz ist.
Laut Zahlen der Bildungsdirektion Oberösterreich machen auch in Linz Schüler/innen muslimischen Glaubens mit 36,6 % den größten Anteil aus, gefolgt von Schülern römisch-katholischen Glaubens (31,5 %) bei insgesamt 13.176 Linzer Pflichtschüler/innen.
OÖ Familienbund mit breitem Angebot auch im Bereich Integration: Familienzentrum Dialog als Drehschreibe für Integrationsangebote
Der OÖ Familienbund begleitet Kinder, Eltern, Gemeinden und Unternehmen seit knapp 70 Jahren mit einem breiten Angebot aus den Bereichen Betreuung, Bildung, Beratung und Begegnung. Rund 400 Mitarbeiter/innen sowie Ehrenamtliche sind an mehr als 200 Standorten in Oberösterreich für Familien aktiv. Zudem setzt er sich auf politischer Ebene für eine stete Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien ein.
Ein Schwerpunkt des OÖ Familienbundes liegt auf Angeboten im Bereich Integration und gesellschaftliches Zusammenleben. Diese werden vom Familienzentrums Dialog angeboten. Der OÖ Familienbund möchte damit einen Beitrag zur breit angesetzten Integration von ausländischen Mitbürger/innen in die österreichische Gesellschaft leisten. Ziel ist die Förderung von gegenseitigem Respekt sowie das Ermöglichen von Chancengleichheit. Die Maßnahmen und Aktivitäten des Familienzentrums Dialog zielen auf die Bereiche Bildung, Beratung und Soziales ab.
Bei den Bildungsangeboten geht es darum, Wissen und Informationen zu vermitteln. Bei der Lernbetreuung werden Kinder mit Migrationshintergrund im schulischen Alltag unterstützt, um ihnen höhere Chance auf eine bessere Schulbildung zu bieten. Weiters bekommen erwachsene Analphabeten die Möglichkeit, durch Alphabetisierungskurse in der Muttersprache und anschließend in Deutsch, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Der zweite Schwerpunkt liegt in der Beratung, in Form von Schulbetreuung oder digitaler Sozialarbeit. Diese Beratungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern mit Migrationshintergrund im schulischen Kontext oder auch anonym und online zu vielen weiteren Themen.
Unter dem Schwerpunkt mit dem Titel Soziales haben sich die Familienbund-Elterncafés etabliert. Diese finden regelmäßig in den Räumlichkeiten des OÖ Familienbundes statt und stellen eine beliebte Plattform zum Austausch dar. Die Angebote sollen vor allem der Bewusstseinsbildung dienen und gerade auch die heimische Bevölkerung auf die Thematik der Integration aufmerksam machen und animieren, sich aktiv damit auseinanderzusetzen.