Integrationsstelle schafft niederschwelliges Angebot zum Spracherwerb
Sozialhilfe verhindern – durch Alltags-Deutsch und Arbeit
„Wenn rund die Hälfte der Sozialhilfe-Bezieher Nicht-Österreicher sind und gleichzeitig das Bildungsniveau unter Geflüchteten immer schlechter wird, dann müssen wir handeln: Denn das Ziel muss die Selbsterhaltung durch Arbeit und nicht die Sozialhilfe sein, und Deutsch ist dafür Grundvoraussetzung. Als erstes Bundesland haben wir daher eine Deutschpflicht in der Sozialhilfe eingeführt und schaffen im nächsten Schritt einfache Alltags-Deutschkurse.“
– Sozial- und Integrations-Landesrat Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer
· Oberösterreich hat als erstes Bundesland zu Jahresbeginn eine Deutschpflicht in der Sozialhilfe eingeführt und verfügt bereits über ein breites Angebot an Deutschkursen, das weiter ausgebaut wird. Im ersten Halbjahr 2023 gab es bereits 7.370 Kursplätze.
· Die überwiegende Mehrheit der Kurse sind jedoch sogenannte Niveau-Kurse, die auf ein spezielles Sprachniveau (A1, A2 etc.) inkl. Prüfung abzielen. · Die Studie „Deutschlernstrukturen in Oberösterreich“ von Kenan Güngör hat gezeigt, dass es vermehrt niederschwellige, alltagstaugliche Kursformate braucht. Ein Grund ist das schlechter werdende Bildungsniveau unter Migranten, speziell Asylberechtigten. · Hinzukommt, dass 50% der Sozialhilfebezieher/innen Nicht-Österreicher (in der Regel nichtdeutscher Muttersprache) sind. · Die Integrationsstelle schafft daher im nächsten Schritt Alltags-Deutschkurse speziell für Sozialhilfebezieher/innen nichtdeutscher Muttersprache sowie Asylwerber mit hoher Bleibeperspektive, um ein Hängenbleiben in der Sozialhilfe zu verhindern. · Vorbild für die Kurse sind die 2022 für geflüchtete Ukrainer konzipierten „Hallo in OÖ“-Kurse. · Die ersten Kurse mit rund 460 Plätzen starten im September und werden vom Land Oberösterreich finanziert. |
Die Ausgangslage:
- Rund die Hälfte der Sozialhilfebezieher sind Nicht-Österreicher und damit in der Regel nichtdeutscher Muttersprache, 1/3 sind Asylberechtigte, Drittstaatsangehörige bzw. Personen mit sonst. Daueraufenthaltsrecht
Aktuelle Zahlen Sozialhilfe (April 2023)
Aufenthaltsstatus | männlich | weiblich | Gesamt |
Österr. Staatsbürger | 1.528 | 1.883 | 3.411 |
EU/EWR/Schweiz | 174 | 301 | 475 |
Asylberechtigt | 876 | 833 | 1.709 |
Drittstaatsangehörige | 100 | 189 | 289 |
Sonst. Daueraufenthaltsrecht | 41 | 85 | 126 |
Gesamt | 2.719 | 3.291 | 6.010 |
- Asylwerber mit hoher Bleibeperspektive kommen primär aus Syrien (66% pos. Erledigung[1]), dem Iran (53%) und Somalia (50%)
Top 5 – Rechtskräftige Asylgewährungen mit Stand 31.05.2023 österreichweit in absoluten Zahlen
(Quelle: BM.I, Asylstatistik Mai 2023)
- Das aktuelle Deutschlernangebot zielt in erster Linie auf das Erlangen von Sprachniveaus ab
- Im ersten Halbjahr 2023 wurden bereits 7.370 Deutschkursplätze in Oberösterreich geschaffen, die überwiegende Mehrheit als zertifizierte Sprachniveaukurse.
- Auf Grund des schlechter werdenden Bildungsniveaus von Geflüchteten empfiehlt Kenan Güngör niederschwellige Kursformate.
Tabelle 1: Aktuelles Sprachangebot für Migrant/innen in Oberösterreich
Fördergeber | Zielgruppe |
Land OÖ | · Niveau Deutschkurse für Asylwerber mit Bleibewahrscheinlichkeit v. über 50% (insb. Syrer)
· Zugezogene Migrant/innen mit Aufenthaltstitel |
ÖIF | · Deutschvermittlung bis zum Niveau B1 für
§ Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte und § Asylwerber mit Bleibewahrscheinlichkeit von über 80% (insb. Syrer) · Migranten mit Aufenthaltsrecht für Vertriebene (Ukrainer) |
AMS OÖ | · Qualifizierungskurse und Niveaukurse für Personen, die beim AMS vorgemerkt sind |
Alltags-Deutschkurse für Sozialhilfebezieher/innen nichtdeutscher Muttersprache und Asylwerber mit hoher Bleibeperspektive
Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer reagiert auf die beschriebene Ausgangslage und hat ein neues Sprachangebot spezielle für Sozialhilfebezieher/innen nichtdeutscher Muttersprache und Asylwerber mit hoher Bleibeperspektive, veranlasst. Ziel dieser Kurse ist es, ein erstes Kennenlernen der deutschen Sprache in Form einfacher Alltagskommunikation zu ermöglichen, um Alltagssituationen besser bewältigen zu können und sich im Themenkreis der Arbeitswelt orientieren zu können. Darüber hinaus sind diese Kurse die idealste Vorbereitung für zertifizierte Folgekurse.
Diese niederschwelligen Deutschkurse werden zusätzlich und vorbereitend zu den bundesfinanzierten Deutschlernangeboten des ÖIF zum Erlernen der Alltagssprache möglichst dezentral in ganz Oberösterreich ausgerollt und vom Land Oberösterreich finanziert.
Der Hauptfokus liegt auf einfacher Alltagskommunikation, nicht auf Schriftlichkeit, womit eine Teilnahme auch für nicht oder nur in Erstsprache alphabetisierte Personen möglich ist.
Übersicht neues Kursangebot – Beginn Herbst:
Anzahl der Kursplätze | 464 |
Kursdauer | 6-12 Wochen je Turnus |
Umfang | Pro Kurs 48 UE
(2-4 Mal pro Woche à 2-3 UE) |
Gruppengröße | max. 16 Teilnehmende,
Laufender Einstieg möglich |
Integrationsstelle schafft Alltags-Deutschkurse nach dem Vorbild der „Hallo in OÖ-Kurse“
Nach Ankunft und Erstversorgung der Ukraine-Geflüchteten hat Oberösterreich ein eigenes Deutsch-Förderprogramm aufgelegt.
Die „Hallo in OÖ“-Kurse für Vertriebene aus der Ukraine wurden konzipiert, um rasch die Grundkenntnisse der deutschen Sprache, sowie Informationen zu Oberösterreich, der Bevölkerung und deren Werte und Regeln zu vermitteln. Die Kurse hatten vor allem das Ziel, sich möglichst rasch im Alltag zu verständigen. Die Kurse wurden unter anderem vom WIFI, der VHS und dem BFI durchgeführt. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 120 „Hallo in OÖ-Kurse“ von 1.704 Teilnehmenden aus der Ukraine besucht.
„Die rasche und einfache Vermittlung von Deutschkenntnissen bei Ukrainer/innen hat uns gezeigt, wie wichtig dieser niederschwellige Spracherwerb ist. Oberösterreich hat mittlerweile doppelt so viele Ukrainer in den Arbeitsmarkt vermittelt als die restlichen Bundesländer. Dieser Erfolg gibt uns Recht und darum werden wir dieses Kursformat auf weitere Migranten-Gruppen ausrollen.“
– Sozial- und Integrations-Landesrat Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer
Kernerkenntnisse der Studie von Kenan Güngör:
Absinken des Bildungsniveaus bei Geflüchteten erfordert niederschwelliges Deutschkursangebot
Diversifizierung und Dynamisierung der Fluchtmigration
In den letzten zehn Jahren hat sich die Zuwanderung und Fluchtmigration stark dynamisiert und diversifiziert. Die Herkunftsländer sowie die Anzahl und Bedürfnisse von Zugewanderten und Geflüchteten haben sich stark verändert und die Politik ist gefordert, entsprechend zu reagieren. Für eine bedarfsgerechte, aktivierende, verbindliche Integrationspolitik müssen die Zugänge, Strategien und Maßnahmen immer wieder überprüft und angepasst werden.
Absinken des Bildungsstandes bei den Geflüchteten
Es lässt sich beobachten, dass der Bildungstand der geflüchteten Menschen in den letzten Jahren deutlich gesunken ist. Bei Menschen mit geringer oder keiner Schulbildung zeigt sich, dass sie beim Deutschlernen deutlich langsamer vorankommen und die Lernziele nur in einem sehr geringen Ausmaß erreichen. Dieser Umstand ist sowohl seitens der betroffenen Kursteilnehmer/innen wie auch der Träger nicht zufriedenstellend und auch entmutigend. Um dem steigenden Alphabetisierungsbedarf Rechnung zu tragen, wurden die Alphabetisierungskurse quantitativ ausgebaut und qualitativ weiterentwickelt. Zu hinterfragen ist, ob die Deutschprüfungen für Menschen ohne Bildung nicht zu schwierig sind, so dass sie diese kaum schaffen. Für viele würde es genügen im Alltag Deutsch reden, verstehen, lesen und rudimentär schreiben zu können, anstatt die Grammatik und Schrift perfekt zu beherrschen.
Nachhaltige Erwerbstätigkeit mit Deutschlernen verbinden
Geflüchtete stehen oft unter dem Druck der im Herkunftsland verbliebenen Familienangehörigen, durch Geldüberweisungen der Familie zu helfen. Dadurch steigt das Risiko eines instabilen Beschäftigungsverlaufs in schlecht bezahlten Berufen mit einem langfristig erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko. In Zeiten des immer stärker werdenden Arbeitskräftemangels kommt daher dem raschen und nachhaltigen Einstieg in den Arbeitsmarkt von Geflüchteten eine besondere Bedeutung zu. Dafür muss das Deutschlernen viel stärker mit Erwerbstätigkeit verbunden werden, anstatt sie einander konkurrieren zu lassen, z.B.: durch integrierte Deutschlernangebote in und neben dem Arbeitsalltag, fachspezifische Deutschsprachangebote, Berufpraktikas, temporären Anstellungen und lebensweltnahen Vermittlungssettings.
Hohe Deutschlernmotivation und Zufriedenheit mit den Deutschkursen
Die Evaluation der Deutschlernstrukturen in Oberösterreich hat gezeigt, dass die Deutschlernmotivation und Zufriedenheit mit den Kursen bei den Teilnehmenden grundsätzlich hoch ist. Die Inhalte im Deutschkurs werden als lebensweltnah geschätzt und je nach Lebenssituation werden unterschiedlich intensive Kurse gewünscht.
Deutschkurse wirken stark sozial-integrativ
Für Neuzugwanderte bzw. Geflüchtete wirken die Deutschkurse sozial-integrativ, weil sie ihnen eine Tagesstruktur, Orientierung und die Möglichkeit schaffen Sozialkontakte aufzubauen, um aus der Isolation herauszukommen. Deutschkurslehrer/innen sind die ersten Ansprechpersonen, jedoch haben sie wenig Ressourcen.
Marginalen Deutschkursstrukturen am Land begegnen
Kurse kommen aufgrund zu geringer Zahlen und unterschiedlicher Förderungen nicht zustande, obwohl Bedarf vorhanden ist. Diverse Förderstrukturen für unterschiedliche Zielgruppen verhindern das Entstehen von Kursen. Hinzu kommt das Mobilitätsproblem und oftmals Wegzug mit der Asylberechtigung.
[1] Quelle: BMI, Asylstatistik 2023, Zeitraum Jänner bis Mai 2023