Erfolgreiche Integration beginnt beim Spracherwerb und der Aufnahme einer Beschäftigung. Oberösterreich startet daher als erstes Bundesland mit WIFI und BFI ein Pilotprojekt zur Arbeitsmarktvorbereitung von Asylwerbern mit hoher Bleibeperspektive. Damit soll der direkte Übergang in die Sozialhilfe verhindert werden.
In Kürze:
Das Projekt sieht insbesondere vor:
Eine unbeschränkte Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber/innen als Pull-Faktor bzw. als Deckmantel für Wirtschaftsmigration wird von Oberösterreich klar abgelehnt. |
LH Stelzer/LR Hattmannsdorfer:
Grundversorgung neu denken: FAB und WIFI starten im Auftrag des Landes Pilotprojekt, um Asylwerbende mit hoher Bleibeperspektive auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten
„Oberösterreich ist das Bundesland der Arbeit. Wir wollen daher Menschen, die wir als Asylwerbende versorgen und die mit hoher Wahrscheinlichkeit im Land bleiben werden, bereits für den späteren Arbeitsmarkt vorbereiten. Daher starten wir gemeinsam mit dem WIFI und FAB Qualifizierungsmaßnahmen für Asylwerbende bereits in der Grundversorgung. Klar ist aber: Einen uneingeschränkten Eintritt in den Arbeitsmarkt darf es erst mit positivem Asylbescheid geben.“
Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer
„Wer bei uns leben möchte, muss unsere Werte akzeptieren und sich um die deutsche Sprache und Arbeit bemühen. Aktuell landen viele Asylwerbende nach ihrem positiven Asylbescheid sofort in der Sozialhilfe. Diesen Systemfehler wollen wir aufbrechen. Im Zuge des Pilotprojektes werden Asylwerbende mit hoher Bleibeperspektive, insbesondere Syrer/innen, auf den Eintritt in den Arbeitsmarkt und insbesondere auf eine langfristige Vermittlung vorbereitet. Eine uneingeschränkte Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber lehnen wir klar ab.“
Integrations-Landesrat Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer
„Der oberösterreichischen Wirtschaft fehlen in vielen Bereichen weiterhin Arbeits- und Fachkräfte unterschiedlichster Qualifikationsniveaus. Die Nutzung und Förderung von arbeitswilligen und arbeitsfähigen Menschen bleibt daher weiterhin ein wichtiger Aspekt einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Personen mit Asylhintergrund sind bereits in Österreich und stellen eine wertvolle Potenzialgruppe dar. Mit maßgeschneiderten Projekten und Initiativen wie beispielsweise den Qualifizierungsmaßnahmen oder die Jobbörsen für Geflüchtete bündelt die WKOÖ – gemeinsam mit anderen Standortpartnern – ihre Kräfte und investiert in eine bedarfs- und zukunftsorientierte Integrations- und Standortpolitik. Nur so können wir langfristig gemeinsam unser Sozialsystem und letztlich unseren Lebensstandard sichern.“
Präsidentin der Wirtschaftskammer OÖ Mag. Doris Hummer
„Unsere bisherigen Erfahrungen mit der Zielgruppe zeigen, dass eine Integration in den Arbeitsmarkt in den meisten Fällen von den Personen angestrebt wird und hohe Priorität hat. Statt abhängig und auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, sind die Personen bestrebt sich ein eigenes Leben aufzubauen und ihr Wissen und ihre Erfahrungen einzubringen. Was es zur Umsetzung braucht, sind Chancen und Unterstützung. Chancen von Seiten der Betriebe und Unterstützung bei der Jobsuche und dem „Verstehen von Österreich“. Investitionen in die Zielgruppen machen sich mehrfach bezahlt: Gewinnung dringend erforderlicher Arbeitskräfte und Ermöglichung einer nachhaltigen Integration in die österreichische Gesellschaft. Durch die neue Initiative ist es möglich, die Zeit in der Grundversorgung für das Bauen an einer eigenständigen Zukunft zu nutzen. Denn jeder Tag der Abhängigkeit von einem Sozialsystem erschwert den Schritt in Arbeit.“
Mag. Silvia Kunz, Geschäftsführerin FAB
Grundversorgung für Asylwerbende mit hoher Bleibeperspektive nicht ungenutzt lassen – Asylwerbende sollen nicht von der Grundversorgung in die Sozialhilfe wechseln
Oberösterreich bekennt sich zu Schutz und Hilfe für Personen, die vor Verfolgung und Krieg flüchten und stellen nach Zulassung zum Asylverfahren in der Landes-Grundversorgung eine entsprechende Basis-Versorgung sicher. In diesem Verfahren werden die formalen Voraussetzungen geprüft, ob einem Asylwerbenden der Asylstatus zuerkannt wird und dieser dann als Asylberechtigter vollen Zugang zum Arbeitsmarkt hat.
Mitte Jänner 2024 befanden sich 4.581 Asylwerber/innen in der Grundversorgung des Landes Oberösterreich.
Die stärkste Gruppe in der Grundversorgung ist jene aus Syrien. Diese haben in der Spruchpraxis des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hinsichtlich Asylentscheidungen die höchste Bleibeperspektive. Knapp acht von zehn Syrer/innen erhalten in Österreich einen Aufenthaltstitel in Form von Asyl oder subsidiärem Schutz.
- In 50 % der Fälle wird syrischen Asylwerbenden ein Asylstatus zugesprochen
- In 26 % der Fälle wird syrischen Asylwerbenden ein subsidiärer Schutzstatus
Kennzahlen: Detailstatistik des BMI/BFA, durchschnittliche Werte aus Q1-Q3, 2023.
Beide Aufenthaltstitel umfassen einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Asylberechtigte sind zudem berechtigt, Sozialhilfe zu beziehen, während subsidiär Schutzberechtigte weiterhin Leistungen aus der Grundversorgung bekommen (kein Sozialhilfe-Bezug möglich).
Top-Nationen in der Landes-Grundversorgung
Land | Anzahl Asylwerber |
Syrien | 1.911 |
Türkei | 867 |
Afghanistan | 711 |
Somalia | 407 |
Iran | 118 |
Irak | 95 |
per 15.1.2024, Daten: Land OÖ
Trotz des freien Arbeitsmarkt-Zugangs landen Asylberechtigte häufig in der Sozialhilfe, wo sie überdurchschnittlich lange bleiben.
Die Anzahl der Asylberechtigten an der Gesamtanzahl der Sozialhilfe-Empfänger/innen liegt bei etwa einem Viertel. Die Vorbereitung von (insb. syrischen) Asylwerbenden auf den Eintritt in den Arbeitsmarkt während der Grundversorgung ist damit eine Maßnahme, mit der ein direktes Abgleiten von Asylwerber/innen in die Sozialhilfe reduziert werden soll und stattdessen die Grundlagen für einen sofortigen und vor allem langfristigen Eintritt in den Arbeitsmarkt ab positivem Asylbescheid gelegt werden sollen.
Hinzu kommt, dass die Syrer/innen unter Asylberechtigten/subsidiär Schutzberechtigten auch jene Gruppe sind, die am stärksten beim AMS als arbeitslos vorgemerkt ist. Im Vergleich zu 2022 ist die Arbeitslosigkeit unter Syrer/innen zudem leicht gestiegen.
Grundversorgung wird in OÖ schrittweise neu organisiert:
Oberösterreich startet als erstes Bundesland Pilotprojekt zur Qualifizierung von Asylwerbenden in der Grundversorgung
Das Integrations- und Grundversorgungsressort will daher künftig die Zeit in der Grundversorgung für Asylwerbenden mit hoher Bleibeperspektive (insbesondere Syrer/innen) nicht ungenutzt lassen und die Voraussetzungen für einen späteren Arbeitsmarkteintritt schaffen.
Nachdem diese Asylwerber/innen mit hoher Wahrscheinlichkeit (knapp 80 %) in Oberösterreich bleiben werden, sollen sie bereits in der Grundversorgung für den Arbeitsmarkt qualifiziert und vorbereitet werden. Schwerpunkte sind hierbei:
- Rascher Deutscherwerb (Kurs A1)
- Integrationsbereitschaft sowie Wertevermittlung
- Qualifizierung, Arbeits- und Berufsorientierung & Bewerbungstrainings
- Vorbereitung auf eine spätere Arbeitsvermittlung (ab dem Status Asylberechtigung)
Gemeinsam mit den Projektpartnern FAB und WIFI starten in Oberösterreich hierbei zwei Pilotprojekte in Linz und in Ried. Für diese beiden Projekte wird auch die Systematik der Grundversorgung neu gedacht:
- Aktuell werden Asylwerbende, sobald sie zum Asylverfahren zugelassen werden, aus der Betreuung durch die Bundesbetreuungsagentur, in die Grundversorgung der Länder überstellt. Die Zuteilung zu Quartieren erfolgt rein nach Verfügbarkeiten.
- In Zukunft sollen im Rahmen der beiden Pilotprojekte die Zuteilungen nach sprachlichen und beruflichen Vorqualifikationen stattfinden:
- Dazu werden insbesondere vor Überstellung Sprachstands-feststellungen durchgeführt.
- Ebenso werden berufliche Vorqualifikationen überprüft.
- Entsprechend dieser Qualifikationen sollen die Asylwerbenden dann auch in die Quartiere überstellt werden, um ein ähnliches Niveau pro Einrichtung zu garantieren.
- Es erfolgt somit eine Clusterung nach Nation, sprachlichen Vorkenntnissen (Alphabetisierung) und Qualifikation.
Stufenweise Vorbereitung auf Arbeitsmarkteintritt
Bei den Pilotprojekten von FAB und WIFI wird eine gewisse Anzahl an Asylwerbenden im Grundversorgungsquartier stufenweise qualifiziert. In der Abwicklung sowie Betreuung der jeweiligen Gruppen unterscheiden sich die Projekte in einzelnen Aspekten, die grundsätzliche Qualifizierung erfolgt bei beiden Projekten stufenweise in dieser Form bei einer Dauer von 7 bis 8 Monaten:
Weitere Schritte
· Beide Programme starten diese Woche in den Grundversorgungsquartieren in Linz/Lunzerstraße sowie in Ried im Innkreis. · Am Ende der Projektlaufzeit werden beide Programme evaluiert. · Während der Projektlaufzeit überwacht eine Steuerungsgruppe aus der Abteilung Soziales, AMS, WKO, BFI, Arbeitersamariterbund rund Rotes Kreuz (Betreiber der Quartiere) den Projektfortschritt. |
WKOÖ-Präsidentin Hummer:
Arbeitsmarkt braucht Asylberechtigte
Neben dem oberhalb dargestellten WIFI-Projekt zur Qualifizierung von Asylwerber/innen setzt die WKOÖ – gemeinsam mit den Standortpartnern – auf zahlreiche weitere Maßnahmen, um den Arbeits- und Fachkräftemangel an unserem Wirtschaftsstandort bestmöglich zu lindern. Dazu zählen beispielsweise gezielte Jobbörsen für Geflüchtete in verschiedenen Regionen sowie – ebenfalls auf regionaler Ebene – stattfindende individuelle „Matchings“ von Asylberechtigten mit lokalen Betrieben. Nicht nur die enge Zusammenarbeit mit dem AMS, sondern auch eine zielgerichtete individuelle Qualifizierung und Vermittlung auf regionaler Ebene sind dabei Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige und bedarfsgerechte Arbeitsmarktpolitik.
Projekte von FAB und WIFI im Detail: Qualifizierung von Asylwerbern in Linz und in Ried
Projekte im Detail
Zielgruppe: Asylwerbende mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit in der Grundversorgung
Ziel: Sinnstiftendes Tagesangebot über mehrere Angebote in Form von
- gezielter Sprachförderung
- Arbeitsorientierung
- Weiterentwicklung
- Ab dem Zeitpunkt des positiven Asylbescheids: nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt
Beim „Integrationspaket für Asylwerber mit hoher Bleibeperspektive“ im WIFI Ried werden die Teilnehmer für sieben Monate in einem wöchentlichen Stundenausmaß von 30 Stunden qualifiziert. Es werden zwei Gruppen mit jeweils 12 Teilnehmer/innen parallel geführt.
Dieses Konzept zielt einerseits auf die Verbesserung der sprachlichen Kompetenz von Asylwerbenden ab, andererseits auf die nachhaltige Vermittlung in Arbeitsverhältnisse. Das erreichen wir durch die Vorbereitung der Teilnehmer/innen auf das Niveau Deutsch A1 und durch die Orientierung auf den regionalen Arbeitsmarkt.
Im Vergleich zu „Accelerate“ werden hier bereits Teilnehmer/innen mit Deutsch-Niveau A1 in das Projekt miteinbezogen und gleich in die Gruppe B integriert. Die Gruppen sind durchlässig, die Teilnehmer wechseln somit nach erfolgter A1-Prüfung in die Gruppe B.
Inhalte der Gruppe A:
Gruppe A beginnt ebenfalls mit Clearing, Überprüfung der Alphabetisierung und Beginn der Deutschqualifizierung sowie einer intensiven Vorbereitung auf die A1-Prüfung; durch Binnendifferenzierung werden die individuellen Fortschritte unterstützt, Ziel ist möglichst rasch Deutsch A1.
In den zur Deutschqualifizierung integrierten Lerninhalten werden auch Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Sprechen) sowie Werte, Orientierung und gesellschaftliche Integration vermittelt; fortgeschrittene Lernende werden mit ersten Inhalten der digitalen Kompetenz vertraut gemacht (v.a. um das Angebot der WIFI-Lernplattform zu nutzen).
Inhalte der Gruppe B:
Trainerressourcen werden für Einzelbetreuungen genutzt (individuelle Bewerbungsunterstützung, individuelle Vorbereitung und Begleitung bei Vorstellungsterminen). Die AMS-Teilzuständigkeit nach dem Integrationsjahrgesetz ist ab diesem Schritt (drei Monate in der Grundversorgung, Niveau A1) gegeben.
Dies ermöglicht die Zuständigkeit des AMS und damit verbunden die Möglichkeit zur Realbegegnung (Arbeitstraining). Im Curriculum integriert ist ein umfassendes Bewerbungstraining, die Weiterführung der Kursinhalte digitale Kompetenz (Online-Bewerbungen, Social Media) und die Themen Werte/gesellschaftliche Orientierung. Motivierten Teilnehmer/innen wird die Gelegenheit zur unterstützten Weiterentwicklung der Sprachqualifizierung auf Niveau A2 gegeben (Online-Angebote, WIFI-Lernplattform).
Bei „Accelerate“ werden die Teilnehmer für acht Monate in einem wöchentlichen Stundenausmaß von 23 bis 35 Stunden qualifiziert. In diesem Projekt gibt es Plätze für 48 Teilnehmer/innen.
Das Projekt besteht aus zwei Phasen.
Phase eins – Clearing, Spracherwerb und erste Arbeitsorientierung
Die erste Phase beginnt mit einem Clearing (Arbeitsfähigkeit), der Abklärung von Sprachkenntnissen und handwerklichen Fähigkeiten, anschließend Fokus auf Deutscherwerb (Niveau A1, Kurs über ÖIF finanziert). Dauer: 4 Monate
Die Betreuung ist anfänglich auf wöchentliches Kontakthalten reduziert; ab dem vierten Monat Beginn mit Arbeitsorientierung, Intensivierung handwerklicher Fähigkeiten, erste praktische Erfahrungen in Werkstätten. Für jede/n Teilnehmer/in wird ein individueller Entwicklungsplan erstellt. Es erfolgt auch eine Zusammenarbeit mit dem AMS.
Phase zwei – Vertiefung der beruflichen Orientierung
Deutschkurs A1 muss positiv absolviert sein; in dieser Phase ist gesetzlich eine AMS-Teilzuständigkeit vorgesehen, die Personen werden somit beim AMS vorgemerkt. Die Deutschkenntnisse werden durch ein zusätzliches Kursmodul „Arbeitswelt in Österreich“ vertieft. Es wird das Erstellen von Bewerbungsunterlagen trainiert, im Rahmen dieser Phase erfolgen auch Firmenbesichtigungen.