Soziale Verantwortung und digitale Innovation verbinden: Oö. Pflegetechnologiefonds setzt Maßstab für Innovations-Offensive in der Pflege
„Oberösterreich ist das Land der Wirtschaft, Arbeit und Innovation – da liegt es auf der Hand, dass wir die neuesten technologischen Entwicklungen auch bestmöglich nutzen wollen. Gerade in der Pflege, in der intensive Ansprüche an die Pflegerinnen und Pfleger gestellt werden, wollen wir die Chancen die die Digitalisierung bietet, nicht ungenutzt lassen. Digitalisierung darf aber nie Selbstzweck sein, sondern muss den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege dienen. Wir wollen durch Innovationen entlasten und somit mehr Zeit für menschliches Miteinander ermöglichen.“
-Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer
„Wir wollen unsere Stärke als Industrie- und Wirtschaftsbundesland nutzen, um eine Vorreiterrolle in der Pflegetechnologie zu übernehmen. So wie jedes Unternehmen eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung hat, soll auch der Sozialbereich in Oberösterreich einen eigenen Innovations- und Entwicklungsschwerpunkt erhalten. Wir schlagen mit dem Oö. Pflegetechnologiefonds die Brücke zwischen sozialer Verantwortung und digitaler Innovation und wollen damit Mitarbeiter/innen entlasten, aber auch neue Perspektiven für Pflegebedürftige aufzeigen.“
-Sozial-Landesrat Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer
„Pflege und Betreuung stehen – auch aufgrund von demografischen Veränderungen – vor vielfältigen Herausforderungen. Die steigende Zahl an pflegebedürftigen Menschen erhöht den Druck auf das gesamte System. Die Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz bieten hier viele Chancen, sowohl zur Entlastung des Pflegepersonals als auch zum Nutzen der Betroffenen. Wissenschaft und Forschung können somit entscheidende Beiträge leisten. Ich freue mich daher sehr über die Anzahl und Qualität der Einreichungen beim Oö. Pflegetechnologiefonds, die in genau diesem gesellschaftlich so wichtigen Bereich für Innovation sorgen wollen. Einmal mehr wird deutlich, wieviel Potenzial die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Zivilgesellschaft hat.“
-Univ.-Prof. Dr. Stefan Koch, Rektor Johannes Kepler Universität Linz
In Kürze:
· An den Pflegeberuf werden, auch um eine hohe Qualität zu sichern, intensive Ansprüche gestellt, von bürokratischen Vorgaben bis hin zu körperlichen Herausforderungen. Technologische Innovationen können wesentlich dazu beitragen, diese Anforderungen leichter zu erfüllen und damit Mitarbeiter/innen und Angehörige im Pflegealltag zu entlasten. · Das können Unterstützungen bei Abläufen und körperlichen Anforderungen (Heben, Lagern …), aber auch bei der Dokumentation sein. · Digitale Anwendungen können auch Möglichkeiten für Pflegebedürftige bieten, länger in den eigenen vier Wänden zu sein. · Zu lange wurden der Sozialbereich und der Innovations- und Technologiebereich getrennt gedacht. Soziales und Digitales sollen daher erstmals Hand in Hand gehen. · Als konkrete Maßnahme wurde daher im Jänner 2024 der erste Oö. Pflegetechnologiefonds mit einem Volumen von 2 Millionen Euro aufgelegt. · Insgesamt wurden 47 Projekte für den Pflegetechnologiefonds eingereicht. Der Fachbeirat unter dem Vorsitz von JKU-Rektor Univ.-Prof. Dr. Stefan Koch hat die Förderwürdigkeit der Projekte eingestuft und dabei 19 Projekte für eine Förderung ausgewählt. · Als einige Schwerpunktprojekte, die ausgewählt wurden, sind zu nennen o Smart Home Living-Anwendungen wie Sensoren, um Abweichungen vom Tagesablauf von Senioren zu erkennen o Digitales Pflegeheim-Modell o Exoskelett zur Entlastung von Mitarbeiter/innen o Entbürokratisierung durch sprachgesteuerte Pflegedokumentation o Smarte Utensilien wie automatisierte Matratzen |
Soziale Verantwortung und digitale Innovation erstmals gemeinsam denken: Oberösterreich will Vorreiter in der Pflegetechnologie werden
Sozialressort, Gemeinde- und Städtebund haben in der Fachkräftestrategie Pflege einen klaren Anspruch formuliert: Die Mitarbeiter/innen in der Altenpflege zu unterstützen und dabei Wege einzuschlagen, die neu sind und Innovationen zulassen. Oberösterreich will seine Rolle als Industrie- und Wirtschaftsbundesland nutzen, um eine Vorreiterrolle in der Pflegetechnologie zu übernehmen. Ziel ist, den Innovationsgeist von Wirtschaft und Technik mit den Herausforderungen in der Altenpflege zu verbinden.
Die Rahmenbedingungen des Pflegetechnologiefonds
Insgesamt wurde eine Fördersumme von 2 Millionen Euro ausgeschrieben; finanziert jeweils zur Hälfte vom Sozialressort und von den Regionalen Trägern Sozialer Hilfe (RTSH; Sozialhilfeverbände/Statutarstädte). Festgelegt wurden maximale Förderhöhen je nach Projektart:
- 50.000 Euro für den Ankauf von bereits bestehenden Technologien und Produkten
- 150.000 Euro für die Entwicklung von neuen Technologien. Bei 300.000 Euro liegt die Fördersumme, wenn zwei oder mehr RTSH beteiligt sind.
Insgesamt wurden 47 Projekte aus ganz Oberösterreich für den Pflegetechnologiefonds eingereicht. Davon wurden 19 Projekte von einem hochkarätigen Fachbeirat für eine Förderung ausgewählt. Der Fachbeirat unter Vorsitz von Rektor Stefan Koch hat die eingereichten Projekte nach der Förderwürdigkeit in drei Gruppen „hoch“, „mittel“ und „gering“ eingestuft. Der Auftrag war, die, „Förderansuchen in Hinblick auf deren Innovationsgehalt und deren wirtschaftlichen und fachlichen Erfolgspotenziale“ zu bewerten und eine Empfehlung zur Förderentscheidung auszusprechen.
Zur Beurteilung wurden als Kriterien herangezogen:
- Innovationsgehalt
- Grad der Arbeitserleichterung bzw. Entlastung für Mitarbeiter/innen und Angehörige
- Praxistauglichkeit
- Nachhaltigkeit bzw. Ausrollbarkeit
- Kosten-Nutzen-Verhältnis
„Wir haben für die Einreichung sehr hohe Anforderungen gestellt, um die Qualität und den Innovationsgrad der Projekte zu gewährleisten. Die vielen Einreichungen sind ein positives Zeichen, dass es im Bereich der sozialen Innovation viele Ideen und Initiativen gibt – der Fonds bietet dafür einen sehr wertvollen Rahmen“, so der Juryvorsitzende Koch.
Exemplarisch können folgende ausgewählte Projekte sowie deren Nutzen genannt werden:
- Smart Home Living-Anwendungen in Form von Sensoren, um Abweichungen vom Tagesablauf von Senioren zu erkennen und Ressourcen professioneller Dienste zu schonen
- Digitales Pflegeheim-Modell zur wissenschaftlichen Analyse modernster Technologien
- Exoskelett zur physischen Entlastung von Mitarbeiter/innen im Pflegealltag
- Entbürokratisierung und Entlastung von Mitarbeiter/innen durch sprachgesteuerte Pflegedokumentation
- Smarte Utensilien wie automatisierte Matratzen zur Früherkennung von Druckgeschwüren oder Hautirritationen bei Heimbewohner/innen
Die geförderten Projekte im Detail:
Automatische Erkennung von Notfallsituationen
Es gibt unterschiedliche Sensoren, die Aktivitäten im Wohnraum registrieren können. Beispiele sind Türsensoren, Bewegungsmelder, Rauchmelder oder Sensoren in Elektrogeräten. Ein innovatives KI-System lernt mithilfe solcher Sensoren individuelle Bewegungsmuster im Privathaushalt. Stellt das System Abweichungen vom üblichen Tagesablauf fest, informiert es in einer App die Angehörigen oder kontaktiert – je nach Eskalationsstufe – den Rettungsdienst. So erhalten ältere Menschen die Sicherheit, möglichst lange zu Hause leben zu können, und Ressourcen der professionellen Dienste werden geschont. Im Rahmen des Pflegetechnologiefonds wird der Einsatz in verschiedenen Settings (mobile Pflege, Pflegeheim und betreutes Wohnen) getestet.
Projektträger: Syncare/Diakoniewerk OÖ
Digitales Pflegeheim
Ein Pflegeheim wird mit einer abgestimmten Kombination von modernsten Technologien ausgestattet, insbesondere in den Bereichen Telemedizin, sprachgesteuerte Dokumentation und Sturzsensorik. Damit soll ein „Digitales Pflegeheim“ – im Sinne eines „Living Care Lab“ – in einer Vorstufe realisiert und getestet werden. Der Einsatz unterschiedlicher digitaler Lösungen wird dabei von einem Team der FH Oberösterreich in Hinblick auf die Wirkungen und die Entlastung des Pflegepersonals wissenschaftlich analysiert.
„Die x-tention Unternehmensgruppe bietet IT-Gesamtlösungen für den digitalen Datenaustausch im Gesundheits- und Sozialwesen. Unsere Leistungen umfassen vielfältige Beratungsdienstleistungen, Softwareentwicklung und -einführung Cybersecurity- sowie Managed Services Lösungen. Seit über 20 Jahren unterstützen wir unsere Kunden auf ihrem individuellen Weg in die Digitalisierung und jeder Phase der Weiterentwicklung ihrer IT-Infrastruktur“, erklärt Wolfgang Pramendorfer, Geschäftsführer der an diesem Projekt beteiligten Firma x-tention Informationstechnologie GmbH.
Projektträger: Seniorenzentren Linz
Entwicklung eines Exoskelettes zur Entlastung von Pflege-Mitarbeiter/innen
Rückenprobleme gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Herausforderungen von Pflegekräften (etwa durch das Heben und Umlagern von betreuten Personen). Davon betroffen sind insbesondere die Mitarbeiter/innen der mobilen Pflege, die in der Regel nicht in Teams arbeiten. Exoskelette können Erleichterung bieten, bestehende Modelle (etwa aus der Industrie) lassen sich aber nicht nahtlos in die Arbeitsabläufe der Pflege integrieren. Es soll daher ein Exoskelett entwickelt werden, das den Bedürfnissen in der mobilen Pflege entspricht und so die Mitarbeiter/innen entlastet bzw. ihre Arbeitsfähigkeit erhöht.
Projektträger: Volkshilfe Gesundheits- und Soziale Dienste GmbH
Entlastung durch sprachgesteuerte Pflegedokumentation im Pflegeheim
Derzeit müssen Pflegende die Arbeitsschritte händisch aufzeichnen und anschließend im Dienstzimmer in die Pflegedokumentation einpflegen. Mit Spracherkennung kann die erforderliche Dokumentation künftig direkt vor Ort bei den Bewohner/innen erfasst werden, die eingesprochene Pflegedokumentation wird automatisch in das Doku-System eingespielt. Die Mitarbeitenden sparen sich Arbeitszeit. Im Rahmen des Pflegetechnologiefonds werden unterschiedliche sprachgesteuerte Dokusysteme pilotiert und evaluiert.
Projektträger Modell myneva: Sozialhilfeverband Linz-Land
Projektträger Modell vivendi: Caritas OÖ
Sprachgesteuerte Pflegedokumentation in der mobilen Betreuung und Pflege
Die tägliche Arbeit der Mitarbeiter/innen der mobilen Betreuung und Pflege ist bisher nur zu einem geringen Teil durch digitale Prozesse abgebildet. Viele Tätigkeiten (z.B. der gesamte Prozess der Planung oder das Ausfüllen des Durchführungsnachweises) werden noch analog abgewickelt. Das Eintippen ins Handy benötigt oft viel Zeit und ist – aufgrund der relativ kleinen Displays – mühsam. Die gesamte Dokumentation soll daher künftig per Spracheingabe eingesprochen werden. Um dies zu ermöglichen, wird der gesamte Pflegeplanungs- und Dokumentationsprozess digitalisiert.
Projektträger: Diakoniewerk OÖ
Ehrenamtliches Engagement durch Plattform-System stärken
Die Bedeutung von Ehrenamt in der Betreuung und Pflege nimmt immer stärker zu, um die stark steigenden Bedarfe abzudecken und die professionellen Strukturen entlasten zu können. Durch ein neues Plattform-System soll die Vernetzung von ehrenamtlichen Hilfeleistern und Hilfesuchenden verbessert werden.
Projektträger: SHV Steyr-Land
Digitale Sturzerkennung zur Früherkennung
Stürze von Bewohner/innen in ihren Pflegeheimzimmern (vor allem nachts) können oftmals nicht zeitnah entdeckt werden. Sowohl für die Bewohner/innen als auch für die Mitarbeiter/innen bedeutet das eine erhebliche körperliche und psychische Belastung. Mittels Sensoren werden Bewegungen im Raum automatisch erkannt, analysiert und Stürze idealerweise verhindert. Bei kritischen Situationen oder Ereignissen (z.B. Stürze, Sturzgefährdung, überlange Abwesenheit) wird ein Alarm an die diensthabende Pflegeperson ausgelöst. Krankenhausaufenthalte und -transfer können so reduziert bzw. im Fall von Verletzungen der Sturzopfer eine raschere Versorgungsleistung gewährleistet werden. Im Rahmen des Pflegetechnologiefonds werden unterschiedliche Sturzerkennungssysteme pilotiert.
Projektträger Modell Cogvis: SHV Rohrbach sowie SHV Perg
Projektträger Modell Raficare: SHV Grieskirchen sowie Stadt Steyr
Projektträger Modell „Nobi smart lamp“: Franziskanerinnen Vöcklabruck
Verbesserung der Informations- und Kommunikationsprozesse
Die Pflege ist wie kaum ein Beruf mit einer Vielzahl an Rechtsregeln, betrieblichen Anforderungen, Unterweisungsvorgaben und Dokumentationspflichten konfrontiert. Entsprechend sind die Dienstgeber gefordert, allen Mitarbeitenden aktuelle Informationen verlässlich und zeitnahe zur Verfügung zu stellen. Aufgrund des Schichtbetriebs sind nicht immer alle Mitarbeiter/innen gleichzeitig im Betrieb tätig. Häufige Änderungen der Vorschriften und Wechsel im Mitarbeiterstab erschweren die Wissensweitergabe und erhöhen den Einschulungsbedarf. Der Informationsfluss muss dennoch gewährt sein. Im Rahmen des Pflegetechnologiefonds werden daher Managementsoftwares erprobt, mit deren Hilfe, Information, Kommunikation und Prozesse verbessert werden können.
Projektträger Safe Pro: SHV Kirchdorf
Projektträger Modell Medikit: SHV Vöcklabruck
Projektträger Modell Core soft mit Fokus Employer Branding: SHV Ried
Projektträger Modell Managementplattform und Wissensdatenbank inkl. ChatGPT: SHV LL mit SHV Vöcklabruck
Automatisierte Matratze zur Reduktion des Dekubitus-Risikos
Bettlägerige Personen sind mehrfach täglich sowie nachts zu lagern, um Druckgeschwüre (Dekubitus) oder Hautirritationen zu verhindern. Die Lagerung ist eine zeitliche und vor allem körperliche Herausforderung für die Mitarbeiter/innen der Pflege. Mithilfe der automatisierten Matratze können Umpositionierungen automatisch gesteuert werden. Die Matratze sorgt für regelmäßige Druckentlastung und verringert das Dekubitus-Risiko. Im Rahmen des Pflegetechnologiefonds werden unterschiedliche Matratzensysteme pilotiert und evaluiert:
Projektträger Modell Careturner 3.0: SHV Steyr-Land sowie SHV Braunau
Projektträger Modell „Turn All“: Diakoniewerk OÖ